Zitate aus der hier schon genannten dtv-Ausgabe
„Shakespeare – Die Sonette“
„Für mich verschmelzen die Begriffe Genauigkeit und Nähe zum Urtext in dem übergreifenden Terminus Wirkungsäquivalenz. In diesem Sinne hatte ich nicht die Absicht, eine Übersetzung zu schaffen, die zwar philologisch präzise ist, aber die Einheit der Elemente, die die Wirkung eines Gedichts ausmachen (Wortsinn, Gesamtaussage, Rhythmus, Metrum, Atmosphäre, und ich möchte noch hinzufügen: Emotionalität, Anstrengung des Gedankens und nicht zuletzt Klang), zerstört. Ich glaube nicht, dass man bei den mitunter notwendigen Abstrichen mehrere Alternativen hat. Wird im Original ein und derselbe Gedanke in mehreren unterschiedlichen Schattierungen durchgeführt, so besteht die einzige für mich in Betracht kommende Möglichkeit darin, wenn es denn sein muss, auf eine dieser Schattierungen zu verzichten oder diejenige auszuwählen, die mir im Hinblick auf die angestrebte Wirkungsäquivalenz den Vorrang zu haben scheint. Um jedoch den Verzicht auf das unvermeidbare Minimum zu beschränken, habe ich versucht, im Deutschen möglichst viele einsilbige Wörter zu finden, deren Gebrauch verhindert, dass der Vers über den jambischen Pentameter hinaus anschwillt.“
„… Im Sommer 1990 habe ich ernsthaft mit der Arbeit angefangen, die sich dann über vier Jahre hingezogen hat. Da ich zwischendurch immer wieder für meinen Lebensunterhalt andere Werke übersetzen musste, schrumpfte die Zeit, die ich für die Sonette zur Verfügung hatte, im Grunde auf etwa anderthalb Jahre zusammen, aber alles in allem habe ich mich seit 1982 an das Projekt herangetastet, herangedacht, herangelesen, und vier Jahre waren es dann, in denen ich periodisch an diesen Texten gearbeitet habe. Diese Perioden waren stets außerordentlich intensiv. Wenn ich über den Sonetten saß, war ich weitgehend verloren für die Welt. Ich habe von Anfang an metrisch korrekte, durchgereimte Fassungen gemacht und zum Schluss in einer Art Sabbatsemester von vier Monaten sämtliche Texte hintereinander in vier Redaktionsgängen überarbeitet. Der dritte Durchgang war zugleich der, in dem meine Verlegerin und mein Lektor ins Spiel kamen. Die Entscheidung, die Übersetzung im Straelener Manuskripte Verlag herauszubringen, fiel 1992, nachdem eine aussagekräftige Textmenge in Erstfassungen vorlag. Es gibt von fast jedem Sonett mehrere Versionen, die sich mitunter nur geringfügig, manchmal nur in ein, zwei Wörtern voneinander unterscheiden. Bei der Redaktion ging es mir dann im wesentlichen darum, Enjambements einzusparen, unreine Reime, wo es möglich war, durch reine zu ersetzen, Formulierungen inhaltlich immer weiter zu präzisieren und den Versen durch den gezielten Gebrauch einsilbiger Wörter noch mehr Dichte zu geben.“
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Hier als Beispiel das Sonett XLIII von William Shakespeare und als Zitat die kongeniale Übersetzung von Christa Schuenke:
When most I wink then do mine eyes best see,
For all the day they view things unrespected,
But when I sleep, in dreams they look on thee,
And darkly bright, are bright in dark directed.
Then thou whose shadow shadows doth make bright,
How would thy shadow's form, form happy show,
To the clear day with thy much clearer light,
When to unseeing eyes thy shade shines so !
How would, I say, mine eyes be blesséd made,
By looking on thee in the living day,
When in dead night thy fair imperfect shade,
Through heavy sleep on sightless eyes doth stay!
All days are nights to see till I see thee.
And nights bright days when dreams do show thee me.
Ich seh viel mehr, mach ich die Augen zu.
Profanes nur sehn sie zur Tageszeit;
Doch wenn ich schlaf, erscheinst im Traum mir du,
Traums Dunkelhell erhellt die Dunkelheit.
Du, dessen Schatten Schatten licht macht, sag,
Was zeigt dein Schattenbild für Bilderwelt,
Da du mehr licht bist als der Tag bei Tag,
Wenn schon dein Schatten so den Blick erhellt!
Wie, sag ich, müsst mein Blick erleuchtet sein,
Könnt ich dich sehn in Tages wachem Licht,
Wenn schon bei Nacht dein schöner Schattenschein
Durch Schlaf zum blinden Auge Bahn sich bricht!
Tag ist wie Nacht mir, kann ich dich nicht sehn,
Doch Nacht wird Tag, lässt Traum dein Bild erstehn.
Illustrierte Limericks vom verkannten Dichtergenie
Neu April 2008 von Renate Golpon:
Mehr als 50 regelkonforme deutsche Pantune
Fehlt Übersetzungs-Knigge?
Wer eine fremde Sprache mehr oder weniger beherrscht, meint irgendwann, sich als Übersetzer(in) beweisen zu müssen. Besonders peinlich wirken Amateurübersetzungen anerkannter literarischer Werke.
Übersetzungen von Lyrik aus einer Quellsprache
(meist Englisch) in die Zielsprache Deutsch sind sehr unterschiedlich in der literarischen Qualität. Von der automatischen Übersetzung per Computerprogramm bis hin zur einfühlsamen Nachdichtung reicht das Spekrum der Qualitätsstufen. Lyriker(innen) als Übersetzer(innen) werden mehr von Form, Inhalt, Intention und Stimmung des Gedichts in die Zielsprache transformieren können als Übersetzer(innen) von Sachsprachewerken.
In der Regel gelingt die Transformation wohl am ehesten, wenn man sich der poetischen Ausdrucksmittel (z.B. Bilder) bedient, die in der Zielsprache geläufig sind.
Christa Schuenke, meines Erachtens beste Übersetzerin von Shakespeare-Sonetten, plaudert in dem Beitrag „Die neue Lust auf die Sonette" im dtv-Taschenbuch „Shakespeare – Die Sonette“, 4.Auflage, 2005, aus dem Nähkästchen.
Renate Golpon, 25.2.2007
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